Panorama



Eine tunesische Hommage an der deutschen Menschenrechts Ikone Helga Lindenmaier

07-10-2020 12:21:47

Sonntag der 04.10.2020, war ein besonderer Tag für einige Vertreter tunesischer und deutscher Zivilgesellschaft Organisationen. Diese haben sich am Friedhof von Unterheinriet in Untergruppenbach versammelt, um der kürzlich verstorbenen Menschenrechtsaktivisten Helga Lindenmaier (07.12.1935 - 13.08.2020) zu gedenken.

 

Am Eingang des Friedhofes im kleinen Ort Unterheinriet, welches auf einen Hügel liegt, mit einem Ausblick auf die weiten Traubenfelder, haben sich die Gäste gegrüßt… natürlich mit dem gebotenen Abstand.

 

Dabei fragte eines der engen Bekannten von Frau Helga Lindenmaier, dem Initiator der Gedenkfeier und Vertreter des Koordinationsrat tunesischer Vereine Herrn Abdelaziz Cherif, was meint Ihr eigentlich mit dem Vierzigsten, diesen Begriff kennen wir nicht im deutschen Kulturkreis.

 

Es erweckte den Eindruck, dass die Frage überraschend war, da sich ein Gesprächskreis bildete und jeder eine These über die Bedeutung des 40. Todestag hatte.

Herr Cherif fügte erläuternd hinzu, dass wir auf dem Weg hierhin ebenfalls über die Bedeutung des Vierzigsten diskutierten.

 

Der 40. Todestag, ist ein weit verbreiteter Brauch in Tunesien und es handelt sich um eine kulturelle Tradition, mehr als ein religiöses Ritual.

 

Wir wollten durch diesen Brauch die Verbundenheit dieser großen Menschenrechtlerin mit Tunesien zum Ausdruck bringen, denn Frau Helga Lindenmaier hat durch Ihre selbstlosen Taten einen großen Platz im Herzen der Tunesier. Und wir wollten Sie so ehren, wie das auch die Tunesier unter sich machen würden.

Und eines der historischen Gegensätze, ist, dass Tunesien einerseits eines der wenigen arabischen Länder,  die die Werte der europäischen Aufklärung verinnerlicht hat, dennoch möchten die Tunesier ihre islamischen Traditionen und Bräuche bewahren.

Und so sehen wir, dass das maghrebinische Land in der nahezu all seine Bürger an den sunnitischen, malikitischen Islam glauben, bis heute einen Brauch aus der Schiitischen Glaubenstradition befolgen. Denn der Vierzigste ist eine schiitische Tradition, in der dem Tod von „Hussein“ des Enkels des Propheten Mohammad, gedacht wird.

Und so hat diese schiitische Tradition Ihren Weg in die Bräuche der maghrebinischen Staaten gefunden.

Ein ähnlicher Brauch gibt es auch in der katholischen Tradition, wie eines der Gäste erläuterte. So wird nach 6 Wochen, (das Sechswochenamt), eine Messe zu Ehren des Verstorbenen veranstaltet. Diese wird das Sechswochenamt genannt.

Helga Lindenmaier, eine Menschenrechtsikone, die Ihr Leben dem Schutz der Unterdrückten gewidmet hat.

 

Nachdem sich alle Gäste an den Toren des Friedhofs von Unterheinriet eingefunden haben, reihten sich in respektvollem Schweigen alle Gäste hinter dem Sohn von Helga Jörg Lindenmaier und Herrn Hassan Trabelsi dem Vertreter des Koordinationsrat tunesischer Vereine und bewegten sich in Demut zum Grab von Helga.

Am Grab legte Khalil Jandoubi der Geschäftsführer des Democracy & Cooperation Forum einen Blumenkranz nieder. Auf der Schleife des Kranzes stand in roter Schrift „Von der tunesischen Gemeinde Deutschland in stiller Erinnerung“.

Nach der Kranzlegung verneigten sich Gäste für eine Schweigeminute zu Ehren von Helga.

„Wir sind aus ganz Deutschland hierhin gereist, um Helga Lindenmaier zu ehren. Die Frau, die drei Jahrzehnte Ihres Lebens für die Menschenrechte in Tunesien gewidmet hat. In Ihrer Funktion als Koordinatorin für Tunesien in der deutschen Sektion von Amnesty International, war Helga eine Zuflucht der Opfer des Diktatur-Regimes von Ben Ali. Sie hat sich für die politischen Rechte der Oppositionellen und die Freiheit der Bürger eingesetzt.

Herr Abdelaziz Cherif, erinnerte sich während seiner Rede an das letzte Gespräch mit Helga vor zwei Jahren. Und so, wie während der Diktatur sich Helga für die Menschenrechte engagierte, so war sie auch eine Befürworterin der friedlichen Revolution.

Herr Cherif, hat sich mit allen Teilnehmern an die Zeit vor der Revolution erinnert. Damals haben die politischen Flüchtlinge aus Tunesien und die Opfer des Folterregimes vom Diktatur Ben Ali, bei Helga Zuflucht gefunden.  Sie hat sich für die Rechte hunderter Anhänger der islamischen Nahdha Partei -neben all den Oppositionellen aus allen Zugehörigkeiten eingesetzt.  Sie hat Ihre Geschichten veröffentlicht, um die Brutalität des Regimes zu entblößen.

Eines dieser Menschen, die Helgas Unterstützung erfuhr, war Sihem ben Sidrine die Ikone der zivilen Widerstandsbewegung. Sihem ben Sidrine, wurde nach der Revolution in der Zeit zwischen 2015-2019, die Vorsitzende der Verfassungsinstitution für Wahrheit und Würde.

Die Weggefährten und Freunde von Helga standen in einem Halbkreis mit den tunesischen Gästen. Anna Maier, die Vertreterin des Heilbronner Frauenkreises e.V, war sichtlich gerührt und erzählte über die Gründerin Helga, die sich jahrelang für die Rechte der Frauen in Deutschland eingesetzt hat.

„Helga hatte ein großes Herz, das offen war für alle Hilfsbedürftigen. Besonders in den letzten Jahren hat Sie sich für die Rechte der Flüchtlinge engagiert.“ Sagte ihr Weggefährte Wolf Tailaker, Mitglied des Stadtrats für die Grünen.

Vom Deutsch-Tunesischen Verein für Kultur und Integration beteiligten sich Frau Laila Zitouni, Herr Kamal den Hmida und der Vorsitzender Ali Abdi.

Herr Abdi, erläuterte dass hunderte von politischen Flüchtlingen und Opfer von Folter bei Zuflucht gefunden haben. Besonders Anhänger der Nahdha Partei, sind Ihr zu großem Dank verpflichtet. Deshalb hat auch der Präsident der Nahdha Partei Herr Rached Ghannouchi ein Kondolenzschreiben geschickt, welches der Familie übergeben wurde. Herr Ghannouchi ist zwar der Präsident des tunesischen Parlaments, dennoch hat er es vorgezogen Ihr im Namen seiner Partei zu Danken.

Auffällig war auch, dass das tunesische Konsulat München, trotz einer Einladung nicht teilgenommen hat. Dies wäre vor der Revolution verständlich, zumal Helga ein Dorn im Auge des Ben-Ali-Regimes war.

Der deutsch-tunesier Khalil Jandoubi, der das Democracy & Cooperation Forum vertritt, erinnert sich trotz seines jungen Alters ebenfalls an Helga.

Khalil ist im Kindesalter mit seiner Familie als politische Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. „Mir wurde leider die Ehre nicht teil Frau Lindenmaier persönlich kennen zu lernen. Aber die Geschichten von Ihr habe ich immer wieder von meinen Eltern und unseren Freunden gehört. Sagte Khalil und führte an, dass ihr selbstloses Engagement für die Rechte der Tunesier in Ihrem Patriotismus begründet ist. Ein Patriotismus der dem Wohl des Menschen dienen möchte, und das ist eine Lektion die wir alle lernen können. Da zu sein für andere Menschen.

 

Herr Moncef Slimi der Vorsitzende des Maghrebinischen Institut für Kultur und Media eröffnete seine Rede mit dem bekannten Vers: "Wenn das Volk leben will, muss das Schicksal es erhören" vom Dichter Tunesiens, Abu al-Qasim Ecchebbi.

Herr Moncef führte mit sichtlich gerührter Stimme fort:

‘‘Helga, Du bist eine mutige, freie Frau. Hurra al harra' ir, „die freie unter den Freien“: Dies ist das vornehmste Wort, das man in Tunesien zu Ehren einer Frau sagen kann.

Für meine Landsleute kam dieses barmherzige Schicksal in den dunkelsten Jahren der Unterdrückung, als die Diktatur die Menschen tyrannisierte und sich die Zellen der Gefängnisse mit ihren Opfern füllten. Überall suchten die Verfolgten Zuflucht in den Korridoren der Menschenrechtsorganisationen. Weltweit füllten sich die Schutzräume, mit Menschen, die vor der Hölle flohen.

In dieser Zeit regte sich in Deutschland ein menschliches Gewissen, ein Herz voller Barmherzigkeit, das es vielen Menschen ermöglichte, dort, in Deutschland, Schutz vor Verfolgung und neue Hoffnung zu finden.

Zu einer Zeit, als sich in Tunesien die Türen und sogar die Fenster schlossen, öffnete sich in Deutschland eine große Tür, ein großes Herz: das Herz von Helga‘‘.

Am Ende sagte Jörg Lindenmaier und dabei war er gerührt und versuchte nicht in Tränen auszubrechen: Ich weiß nicht wie ich euch danken kann. Danke..

Danach wendet sich alle Gäste zum Grab und verabschiedeten sich von Helga mit einer weißen Blume.

Media MagDe - Bericht, den 4.10.2020  Untergruppenbach/Unterheinriet, Heilbronn, Baden-Württemberg


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