Merkel will Libyenpolitik machen
15-09-2019 10:44:43
Eine Konferenz in Deutschland soll verhindern, dass die Konflikte in Libyen in einen Proxy-Krieg à la Syrien eskalieren.
Deutschland will eine Konferenz zu Libyen abhalten. Das ist eine überraschende Initiative, da sich Deutschland, bislang, wenn es um Libyen ging, politisch im Hintergrund hielt. Italien und Frankreich sind die beiden europäischen Staaten, die mit ihrer Libyenpolitik auffielen. Was kann Deutschland als Vermittler erreichen?
Analyse von Thomas Pany
Um die Kämpfe in Libyen zu beenden und ernstzunehmende politische Gespräche einzuleiten, also solche, die in der Realität zu Veränderungen führen, müsste "großer Druck" auf die Beteiligten ausgeübt werden, meinen manche. Die Zuversicht, dass die nächste Konferenz besser macht, was die vorhergehenden nicht geschafft haben, ist nicht besonders ausgeprägt.
Bundeskanzlerin Merkel will, dass Deutschland seinen Teil dazu beiträgt, einen Proxy-Krieg in Libyen zu verhindern, wie sie vor dem Bundestag äußerte. Die Situation in Libyen könnte sich in eine Richtung entwickeln, die man aus Syrien kennt. Es sei zwingend, diese Eskalation zu verhindern. Wenn Libyen nicht stabilisiert werde, treffe dies ganz Afrika.
"Bedeutsames internationales Ereignis im Herbst"
Der deutsche Botschafter in Libyen, Oliver Owcza, ließ gestern, als auch Merkel in ihrer Rede vor dem Bundestag ungewöhnlich ausdrücklich auf die Situation in Libyen einging, wissen, dass sich Deutschland in einem Konsultationsprozess mit internationalen Partnern befinde. Mit genügend Vorbereitung könnte dies zu einem "bedeutsamen internationalen Ereignis im Herbst führen", twitterte Owcza. Diplomatische Kreise gehen von einer Konferenz in Berlin im Oktober oder November.
Einiges spricht dafür, dass Deutschland eine Vermittlerrolle spielen kann. Anders als Italien, das sich deutlich hinter die Regierung von Fajes al-Sarradsch gestellt hat und den über einen langwierigen, viel kritisierten und wenig erfolgreichen UN-Prozess ins Amt gebrachten Regierungschef seinerzeit mit militärischem Schutz in die Hauptstadt Tripolis gebracht hat - und anders als Frankreich, das verdeckt mit Streitkräften und Geheimdiensten in Libyen operiert und Sarradsch' Gegner, General Haftar, unterstützt, hat Berlin keine derartigen Schlagzeilen gemacht. Auch die Beteiligung von Wintershall am großen libyschen Ölgeschäft bewegt sich in einer anderen Dimension als das von Total oder Eni.
Für Aufmerksamkeit sorgt Deutschland im Fall Libyen hauptsächlich als Aufnahmeland für Migranten und seine Rolle in der europäischen Migrationspolitik. Das politische Interesse an den komplizierten und schwer durchschaubaren Vorgängen in Libyen hält sich in Grenzen. Diskussionen darüber finden nur in Nischen statt. Hitzig wird das Thema Libyen dann, wenn es um die Seenotrettungsaktivitäten der deutschen NGOs vor der Küste geht. Was, als sich deutsche Spitzenpolitiker und selbst der Bundespräsident, dazu geäußert haben, zu Konflikten mit dem vormaligen italienischen Innenminister Salvini geführt hat. Der ist nun - vorerst - aus dem Amt.
Migrationspolitik für EU im Zentrum
Die Zeit ist günstig, dass Rom und Berlin hinsichtlich Libyen wieder stärker auf Kooperation setzen können. Salvini steht für den Misserfolg der letzten deutschen Initiative, die Libyen mittelbar betroffen hat. Außenminister Maas wollte die Migrationspolitik auf eine neue Basis stellen. Sein Vorhaben scheiterte nicht zuletzt am Widerstand von Salvini, der zusammen mit anderen EU-Ländern ein anderes Konzept verfolgte, eine Art Mittelmeerachse des Neins zur Migration aus Libyen.
Der Vorschlag von Maas hatte zudem zur Voraussetzung, dass Italien und Malta "sichere Häfen" zur Verfügung stellen. Frankreich wurde gar nicht in die Debatte gebracht. Daran zeigt sich eine Verengung des "Möglichkeitsraums", die die Diskussion über die Migration aus Libyen allgemein kennzeichnet. Drastisch und exemplarisch sichtbar ist das daran, dass Migranten, die nach Libyen zurückgeschickt werden, mit unzumutbar großer Wahrscheinlichkeit in die Hände von Peinigern fallen.
Das bisherige Fazit ist, dass die EU an der Art, wie die Migrantenlager geführt werden, ebenso wenig ändern konnte wie an der Kritik über ein brutales Vorgehen zumindest von Teilen der libyschen Küstenwache, die von ihr unterstützt und ausgebildet wird. Weit in der Ferne steht das Ziel, dass die Entscheidung, welche Migranten in die EU einreisen können, bereits in Zentren in Nordafrika getroffen wird. Dafür braucht es die stabilen Verhältnisse und das "Vertrauen in Institutionen", die seit Jahren für Libyen auch von deutschen Spitzenpolitikern angemahnt werden, aber durch Vereinbarungen mit den Milizen, wie sie etwa Italien - im völligen Einklang mit Wünschen der EU - getroffen hat, unterminiert werden.
Unübersehbar ist: Die Migration bestimmt das Interesse der EU an den Verhältnissen in Libyen zentral. Auch das begrenzt den Horizont und damit die Gestaltungsräume. Für die Akteure in Libyen und ihren Unterstützern ist die Migration aber nur ein Teil der Wirklichkeit, in der sie ihre Interessen verfolgen und dies tun sie mit Einsatz militärischer Gewalt, angefangen von den lokalen Milizen bis zu den ausländischen Playern. Derzeit spielt die Einmischung der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate eine auffällige Rolle.
![]()
